Zwischen Pumps und Perspektiven - Khetam Alhaj Yousef im Kleiderladen von Rüthen
Lackschwarze Manolo Blahnik Pumps stehen auf dem Regal – Neupreis jenseits von tausend Euro - heute ein unverkäufliches Dekostück im Secondhandladen im Zentrum von Rüthen. Hier, zwischen Stoffen und Schuhen, arbeitet Khetam Alhaj Yousef ehrenamtlich.
Die 28-Jährige stammt aus Homs, Syrien. Seit einem Jahr lebt sie mit ihren drei Kindern in Deutschland. Ihr Mann hatte vor drei Jahren die gefährliche Flucht angetreten - allein. Kein Vater, der seine Kinder liebt, nimmt sie mit auf eine solche Reise.
Ziel eins: Sprache erlernen
Ihr deutsch ist noch bruchstückhaft und die Verständigung läuft über einen Online-Übersetzungsdienst. Das ist stellenweise holperig, manchmal lustig und immer herzlich. Auch wenn nicht immer klar wird, worüber Khetam so lacht. Die junge Frau mit den großen braunen Augen, im modischen Hijab, hat Humor und lässt sich genau erklären, warum sie hier Fragen beantworten soll. Sie spricht leise. Überlegt jedes Wort, das sie sagt.
Ziel zwei: Unter Menschen sein
Ihre Motivation für die Arbeit im Kleiderladen: Deutsch lernen und sprechen üben, nicht daheimsitzen. Zwei Tage pro Woche arbeitet sie im Kleiderladen, einen weiteren besucht sie einen Sprachkurs. Dann übernimmt ihr Mann, ein Lkw-Fahrer, die Betreuung der Kinder.
Ziel drei: Kleider für jeden
Der kleine Secondhandladen, initiiert 2024 von Yvonne und Carl Pedley als Projekt des Deutschen Roten Kreuz in Rüthen, ist nicht nur ein Ort für preisbewusste Modefans. Es ist ein Treffpunkt – und für viele eine Brücke in den Alltag. „Khetam bringt viel ein“, sagt Yvonne Pedley. „Sie ist zurückhaltend, aber präsent. Mit ihrer Art überwindet sie kulturelle Hürden, besonders im Kontakt mit anderen Kulturkreisen."
Flucht vor dem Bürgerkrieg
Homs, Khetams Heimatstadt, war einst Syriens drittgrößte Stadt, strategisch gelegen zwischen Aleppo und Damaskus. Seit 2011 litt das Land unter einem verheerenden . Bürgerkrieg. Millionen flohen, Hunderttausende starben, bis 2024 das Regime gefallen ist. Khetam ist eine von 14 Millionen, die dem Krieg entflohen sind – und nun versucht, i. m Frieden ein neues Leben zu beginnen.
Der Weg dorthin war gefährlich. Viele Flüchtende kamen über das Mittelmeer oder den Balkan – teils für viel Geld, meist unter Lebensgefahr. Heute, nach dem Sturz des Assad-Regimes Ende 2024, ist die politische Zukunft Syriens ungewiss. Für Khetam ist das Leben in Deutschland hoffentlich mehr als nur ein Übergang.
Nix ist perfekt, aber alles ist möglich
Auch im Kleiderladen ist noch nicht alles perfekt. Arbeitsabläufe müssen erklärt, Missverständnisse geklärt werden. Aber mit Geduld, Übersetzungs-Apps und offener Haltung funktioniert das Miteinander.
„Khetam bleibt, so lange sie möchte“, sagt Yvonne Pedley. Und Khetam? Sie lächelt, auch wenn unklar bleibt, ob über die Übersetzung oder über das schreiend bunte Shirt, das sie in den Kleiderständer sortiert.
Die Heimat bleibt im Herz
Für Khetam bedeutet der Kleiderladen vielleicht eine Zwischenstation auf einer Reise, die schon vor Jahren begann. Vielleicht zu einem Leben, das dem nahekommt, das sie sich vorstellt. Wenn sie eine Wahl gehabt hätte, wäre sie vermutlich lieber in einer friedlichen Heimat geblieben.
Hier in Deutschland muss sie die neue Sprache üben. Mit Menschen in Kontakt kommen. In alltäglichen Dingen Rat erhalten. Zwei Tage in der Woche arbeitet sie hier, einen Tag geht sie zum Deutschunterricht. Dann passt der Vater auf die gemeinsamen Kinder auf.
(CF)